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Schule ist nicht Selbstzweck, sondern für ihre Schülerinnen und Schüler da. Wenn man sich also mit schulischer Zukunft beschäftigen will, muss man zuerst einmal untersuchen, wie sich die Schülerzahl entwickeln wird, besonders die der Hauptschule. Werden wir in ein paar Jahren noch gebraucht werden? Schülerzahlen Die Schülerzahl wird wie in den vergangenen zehn Jahren noch eine Welle steigen, in der Hauptschule am längsten. 1988 sind Grundschule, Hauptschule und die Schule zur individuellen Lemförderung mit insgesamt 831 Schülerinnen und Schülem, die in 38 Klassen unterrichtet wurden, in das neue Haus eingezogen. Heute haben die Schulen 48 Klassen mit 1 126 Schülern. Die Schule platzt aus allen Nähten. Längst wird jede Kammer als Unterrichtsraum genutzt, die Schule zur individuellen Lemförderung muss Klassen auslagern. Wie ist die steigende Schülerzahl zu erklären? Solange unsere Hochrechnungen nur die Zahl der Geburten und die seit Jahren ziemlich konstanten Übertrittszahlen berücksichtigten, waren die Ergebnisse zu niedrig. Die Zahl der Geburten nahm nicht in dem Maße zu wie die Zahl unserer Schüler. Des Rätsels Lösung waren Wanderungsgewinne. Kinder, die nicht in Gunzenhausen geboren wurden, sondern aus dem Umland zuzogen oder als deutsche Spätaussiedler aus Usbekistan bei uns eine neue Heimat fanden oder aus allen Teilen der Erde bei uns Zuflucht suchten. Schulsprengel Die Regierung von Mitteltranken ordnete mit Rechtsverordnung vom 5. Mal 1994 die Organisation des Schulwesens im Bereich des Schulverbandes Altmühlsee und der StephaniVolksschule vollkommen neu. Alle Schülerinnen und Schüler vom 5. bis zum 9. Jahrgang aus dem Schulverband Altmühlsee werden in Zukunft im Stephani-Schulhaus unterrichtet werden. Grundschüler aus der Südstadt bis etwa zur Sonnenstraße und die Schüler der Grundschulstufe der Schule zur individuellen Lemförderung werden die neue Grundschule auf der Bullenwiese besuchen, die bis zum Jahr 2000 fertiggestellt sein soll. Dadurch werden sich Zahl und Struktur der Schüler im Stephani-Schulhaus wesentlich verändern. Die Zahl der Hauptschulklassen wird um mindestens fünf steigen, die der Grundschulklassen entsprechend abnehmen. Die Zahl der vorhandenen Klassenzimmer im Stephani-Schulhaus wird ausreichen. Auch die Sport- und Fachräume werden in den meisten Fällen die erhöhte Belegung noch aufnehmen können. Keinesfalls ausreichen werden jedoch Schulküche, Computersaal und Werkraum. Hier werden jeweils weitere Fachräume durch Umwidmung von Klassenzimmem entstehen müssen. Die Kommunikationstechnologie der Schule sollte bei dieser Gelegenheit verbessert werden. Die Telefonanlage ist veraltet und muss ersetzt werden. Eine Vernetzung aller Unterrichtsräume mit Datenleitungen ist im Zeitalter von Intemet und Intranet unverzichtbar. Es erscheint mir wichtig, dass die wenigen baulichen Anpassungen im Stephani-Schulhaus parallel zum Bau der Grundschule Süd erfolgen. Nur so wird sich die Sprengeländerung für die Hauptschüler aus den Stadtteilen westlich der Altmühl zum frühestmöglichen Zeitpunkt verwirklichen lassen. Änderungen im Lehrplan Die Einführung des neuen Lehrplans zu Beginn dieses Schuljahres wird Anlass sein, Struktur, Inhalte und Methoden hauptschulgemäßen Unterrichtens zu überdenken. Die Schüler werden in Zukunft weniger Fächer, weniger Zeugnisnoten und weniger verschiedene Lehrer haben, denn nach dem Prinzip "Ein Fach, ein Buch, ein Lehrer" wurden altvertraute Unterrichtsfächer zu Fachbereichen zusammengefasst. Zentrales Fach der Hauptschule ist die Arbeitslehre. Nicht nur in diesem Fach werden Handlungsorientierung, Selbsttätigkeit und Projektunterricht schulisches Lernen stärker bestimmen. Handlungsorientierung als Lemkonzept heißt Lernen durch Handeln, also praxisnahe Aufgabenbewältigung. Handlungsorientierung meint aber auch Lernen zum Handeln, d. h. sie vermittelt den Schülerinnen und Schülem Handlungskompetenz. (Dr. Andreas Gmelch). Bei der Planung und Realisierung von Unterrichtsprojekten werden die Lehrer einer Klasse oder Jahrgangsstufe stärker zusammenarbeiten. Es werden verschiedene Fachbereiche einbezogen sein und ihren spezifischen Beitrag leisten. Betriebserkundungen und Betriebspraktika beziehen außerschulische Lernorte bewußt in den Unterricht mit ein. Multimediale Lernprogramme ergänzen die handlungsorientierten Lernphasen. Die Schule wird neben Wissen und Können mehr und mehr Schlüsselqualifikationen vermitteln. Das einmal in der Schule erworbene Wissen wird für die berufliche Flexibilität und Anpassungsfähigkeit unserer Schüler nicht ausreichen. Verlangt werden lebenslange Lernbereitschaft und als Schlüsselqualifikationen Fachkompetenz, Methodenkompetenz und Sozialkompetenz, d. h. die Fähigkeit zu entscheiden, mit welchen fachspezifischen Methoden und in welchen Sozialformen man sich neues Wissen am besten aneignen kann. Erziehung Unterricht war in Volksschulen schon immer erziehender Unterricht. Man ist sich zwar nicht immer einig über Methoden und Ziele schulischer Erziehung, wohl aber darüber, dass der Erziehungsauftrag der Schule auch in Zukunft fortbestehen soll. Mehr denn je gilt Heinrich Stephanis Mahnung, Lehrer dürfen ihren Schülem nicht "bloß Lehrer seyn". Die Schüler sind auf unsere Zuwendung angewiesen und in vielen Bereichen auf eine umfassende Lebenshilfe. Die Integration der Kinder, die aus vielen Teilen der Welt zu uns kommen, ist zu einer wichtigen Aufgabe geworden, die von der Öffentlichkeit kaum bemerkt und schon gar nicht honoriert wird. Mehr Bildung Wer meint, Hauptschüler würden nicht genug lernen, soll doch einmal versuchen, die vom Kultusministerium zentral gestellten Matheaufgaben des Qualifizierenden Hauptschulabschlusses zu lösen. Bei ernsthafter Betrachtung läßt sich jedoch nicht leugnen, dass die komplizierter werdende Berufs- und Arbeitswelt immer höhere Anforderungen an alle Schüler stellen wird. Das verständliche Streben nach einem mittleren Schulabschluss, nach der vermeintlich "besseren" Schule, nimmt dabei eine nicht immer befriedigende Berufsorientierung in Kauf. Der zukünftige Kraftfahrzeugmechaniker plagt sich mit 120 Silben Steno herum, der zukünftige Elektroinstallateur mit der Grammatik der lateinischen Sprache ... Es gibt insgesamt 21 gleichwertige, aber nicht gleichartige Möglichkeiten, die Mittlere Reife als Schulabschluss zu erreichen. Je nach Eignung und Neigung sollten unsere Schülerinnen und Schüler die für sie beste Möglichkeit anstreben. 12 000 ehemalige Hauptschüler erreichen in jedem Jahr einen mittleren Schulabschluss. In Bayern gibt es für Hauptschulabsolventen vier Möglichkeiten, die Mittlere Reife zu erwerben. Neben dem Besuch der Freiwilligen 10. Klasse der Hauptschule ist dies auch über den Qualifizierenden beruflichen Bildungsabschluss sowie das gute Abschlusszeugnis der Berufsschule (Mindestnote 2,5) oder einer Berufsfachschule möglich. Die Freiwillige 10. Klasse ist ein Angebot für Hauptschüler mit guten Ergebnissen im Qualifizierenden Hauptschulabschluss (Gesamtnote 2,0) und führt in einem Jahr über eine Abschlussprüfung zum mittleren Schulabschluss. Nach erfolgreichem Schulversuch soll die F 10 flächendeckend eingeführt werden. Die Regierung von Mittelfranken hat der Stephani-Schule die Einrichtung einer solchen Klasse für das kommenden Schuljahr versagt, obwohl sich aus Gunzenhausen und dem Umland mehr als 20 Schülerinnen und Schüler dafür interessiert hätten. Ob diese Interessenten die nächstliegenden Schulen mit einer F 10 in Weißenburg oder in Ansbach besuchen werden oder sich umorientieren, wird sich erst noch herausstellen. Trotzdem sehen wir uns gut gerüstet für die Zukunft. Franz Müller
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